Als mich ein Radkollege Anfang des Jahres fragt, ob ich Teil seines 4er Teams bei Rad am Ring im Juli werden möchte, zögere ich nicht lang. Die Aussicht auf ein Jedermann-Rennen auf einer Formel-1 Strecke mit viel Höhenmetern und ohne die Gefahr eines riesigen, waghalsig fahrenden Pelotons sind genau meine Kragenweite. Aber das Radrennen ist noch so viel mehr, deswegen muss ich hier erzählen, was am Nürburgring bei Rad am Ring abgeht.
Inhalt
Fast 12.000 Starter bei Rad am Ring 2025
Das Rennen besteht nicht nur aus dem 24-h-Wettkampf, aber ich vermute, dass die meisten daran teilnehmen. Denn als ich mit meinem Kollegen dort ankomme, ist es wie bei einem Festival: die Zufahrt zum Gelände dauert fast 30 Minuten, da so viele vollbepackte PKWs auf den sogenannten Grand-Prix-Streckenabschnitt wollen. Das ist eine ca. 5 km lange Schleife durch das Fahrerlager, also die Wechselzone für die Teams des 24-h-Rennens.
Alle Teams zelten quasi direkt an der Strecke, um sich im Verlauf der nächsten 24 Stunden abwechseln zu können. Und die Zeltstadt ist nicht nur funktional. Hier wird gegrillt, Party gemacht, aus riesigen tragbaren Lautsprechern dröhnt Musik. Es ist wie auf einem ganz normalen Festival, nur dass es für Rennradfahrer ist und auf der Strecke durch die riesige Zeltstadt unentwegt Rennradfahrer dahinsausen.



Rennradfestival
Ich bin von der Szene überwältigt. Unseren beiden Teamkollegen waren schon vor uns da und haben aufgebaut: sie sind nicht zum ersten Mal beim Rad am Ring und haben Profi-Ausrüstung am Start: ein Pavillon mit Seitenwänden (gut gegen den Wind, der uns ereilen wird) und drei Zapetiertische auf denen ein Gasgrill, ein Tischgrill, ein Kaffeevollautomat aufgereiht sind und darunter 3-4 Kästen Erfrischungsgetränke sowie 3 strombetriebene Kühlboxen stehen.
Ihre Zelte stehen auch schon. Unser Los ist 4 x10 Meter groß, es gibt noch genug Paltz für 2 weitere Zelte und die Räder von meinem Kollegen Ragnar und mir. Ich bin ob der Austattung wirklich begeistert. Es stellt sich jetzt schon Festivalfeeling ein. Und wir sind noch recht konservativ aufgestellt. Andere Teams haben Lichtanlagen, besagte XXL-Bluetoothlautsprecher und Campingliegen und -tische mit. Es gibt kaum etwas, was es nicht gibt: Diskokugeln, Bierzeltgroße Pavillons, eine Bundeswehrabteilung ist mit einer Hunderstaschaft großen Mannschaft vertreten und hat riesige Trucks aufgefahren sowie eine Feldküche etc, die verstehen schließlich was davon.



Auf dem Gelände hat der Veranstalter zudem auch einen riesigen Foodcorner, eine Fahrradwerkstatt und ein Messegelände aufgebaut, auf dem sich viele Hersteller udn Verkaufstände präsentieren. Enorm. Und alle, die dort sind, sind wegen des Radfahrens dort. Hammer. Rad am Ring gefällt mir schon lange bevor ich den ersten Wettkampfkilometer gefahren bin super gut. Wieso entdecke ich dieses Event der Superlative erst jetzt? Weil mir niemand vorher geschildert hat, wie cool dieses Radfestival ist.
Rad am Ring, mögen die 24-h-Spiele beginnen
Neben der 24-h Variante gibt es auch Einzelnrennen über 1, 3 oder 5 Runden. Das 24-h-Rennen kann als 2er, 4er oder 8er Team bestritten werden, aber auch hier gibt es tatsächlich Einzelfahrer. Und das nicht zu knapp: ca. 700 Starter tun sich das an. Ich selbst finde die 4er-Konstellation gut: nachdem ich die 26 km Runde gefahren bin, kann ich mich 3 Runden lang ausruhen, bis ich wieder ran muss.
Das fanden 910 weitere Herrenteams auch gut, zzgl. ca. 90 Frauenteams. In unserem Team haben wir uns darauf verständigt, dass wir jeder immer eine Runde fahren, die ganzen 24 Stunden hindurch. Es gibt keine Vorschrift, wie man sich abwechselt. Wichtig ist nur, dass der, der fährt, die Trinkflasche mit dem Transponder am Rad hat.
Als um 12:50 Uhr die Teams starten, ist unser Philipp der erste aus dem Team, der die Runde fährt. Er rollt in einem Massenstart mit den anderen Teamstartern los. Die Reihe an Radfahrern, die an unserer Parzelle vorbeirollt, ist schier endlos, bis wir endlich unseren Mann erblickem, dabei stand er nicht besondern weit hinten in der Startaufstellung.
Ich bin als Zweites dran. Als Philipp zurückkommt stehe ich bereit, stecke den Transponder in die Flaschenhalterung und reihe mich in den steten Strom an vorbeirauschenden Rennradfahrern ein.



26 km durch die legendäre „Grüne Hölle“
Der ehemalige Formel-1 Rundkurs, offiziell als Nordschleife des Nürburgrings bezeichnet, heißt seit dem Ausspruch von Jackie Stewart im Jahre 1968 „Grüne Hölle“. Und der Name ist Programm. Kaum komme ich aus der Wechselzone heraus, beginnt der Nordschleifenrundkurs mit einem 8 km langen Abstieg. Der Asphalt ist für Rennwagen ausgelegt, die hier ehemals mit mehreren 100 kmh entlanggebrettert sind. Also vom Allerfeinsten. Und die Fahrbahn ist breit, mindestens 10 Meter.
Genug Platz für ein paar Radfahrer. Entsprechend geht es in der Abfahrt zu. Im Bereich der Fuchsröhre ist das Gefälle so stark und die Bahn so gerade, dass viele Fahrer 100 kmh erreichen. Ich mit meinen knapp 74 kg Systemgewicht jedoch nicht. Egal wie viel ich am Anfang beschleunige schaffe ich maximal 87 kmh. Aber da ich bergab ohnehin nicht so gerne fahre ist mir das schnell genug.
Danach folgt ein Anstieg, ca. 5 km lang mit fast 500 Höhenmetern. Bei meiner ersten Runde beträgt die Temperatur 32 Grad und die Sonne knallt in weiten Teilen ungehindert auf die Strecke. Bergauf ist mein Metier. Ich trete in Teilen mit 350 Watt die Steigung hoch, überhole hunderte andere Radler, aber ich koche.nOben an der „Hohen Acht“ angekommen Platz mir fast der Kopf vor Hitzestau.
Auf dem Gipfel gibt es neben einem DJ auch eine Erfrischungsstation, aber ich halte nicht an, es sind jetzt nur noch 10 km bis ins Ziel. Ich erwische auf den lezten 4 welligen Kilometern einen sehr schnellen Zug aus Rennradfahrern, hänge mich in den Windschatten. Nach 47 Minuten komme ich an unerer Parzelle an, übergebe den Transponder und überschütte meinen knallroten Kopf erstmal mit Wasser. Was für eine grandiose Quälerei. Und wie schön, dass ich jetzt Pause habe. Erfrischungsgetränke und Essen stehen jetzt auf dem Programm. Ausruhen für die nächste Runde.

24 Stunden, ein immer zäheres Ringen
Obwohl ich erfrischt und stark in die nächste Runde gehe, werde ich meine Zeit vom ersten Mal nicht weider erreichen. 49 Minuten sind es diesmal. Bis zur dritten Runde wechselt das Wetter. Die Sonne verschwindet hinter Wolken, der Wind nimmt ordentlich zu, es regnet teilweise. Diese Bedingungen machen die nächsten Runden nicht leichter. Da es jetzt kalt wirkt, ziehe ich eine langärmelige Jacke obenrum an.
Am Anstieg werde ich das bereuen, da sich die enorme Hitze meines Körpers darunter staut. Bei der nächsten Runde wird es schon dunkel sein. Ich hab meine stärksten Lampen mit, aber ein bisschen Unlust macht sich schon bemerkbar. Vor allem in den Beinen, in denen sich das Laktat der Vorrunden immer weiter aufstaut. Die Pausen reichen nicht, dass sie wieder locker werden. Also fahre ich mit schweren Beinen durch die Nacht. In der Abfahrt bin ich jetzt vorsichtiger. Die Kurven sind zwar beleuchtet, aber dennoch ist mir etwas mulmig, mit über 80 kmh durch die Nacht zu schießen.



Am Anstieg dagegen ist es eher leicht, und der rote Lichterteppich auf der Strecke hat was Besonderes. Oben auf der Hohen Acht hat der DJ eine Lichtanlage und Nebelmaschine, die die Strecke in alle Farben taucht, während die Musik mich anfeuert.
Morgengrauen und eine Zusatzrunde
Ich lege mich jetzt nach jeder Runde hin. Versuche ein bisschen Schlaf zu bekommen. Die Anstrengung und die Dunkelheit der Nacht setzen mir zu. Mehr als 1,5 Schlaf ist nicht drin. Einmal suche ich auch die Duschen auf, da mein Körper mittlerweile salzverkrustet ist und mich klebrig fühle. Die Duschen haben nur kaltes Wasser. Aber die Stimmugn in der Massendusche ist gut. Es hagelt Sprüche und angeblich ist im Vergleich zum Vorjahr das Wasser regelrecht warm.
Die Außentemperatur ist in der Nacht ganz schön gefallen. Ich freue mich über meinen etwas dickeren Dauenschlafsack. Aber die Nacht bringt auch Taufeuchte mit sich. alles ist klamm, vor allem die vollgeschwitzten Klamotten, die jetzt gar nicht mehr trocknen wollen.
Als endlich der Tag wieder anbricht und uns mit Sonne begrüßt, setzen wir uns gierig in die ersten Morgenstrahlen. Fühle mich jetzt wieder belebter, als das Tageslicht die Serotoninproduktion meines Körpers in Gang setzt. Meine Rundenzeiten verbessern sich wieder etwas. Aber es bleibt super hart, wieder und wieder auf´s Rad steigen zu müssen. Unser 4er Team ist schneller, als die Jungs es letztes Jahr waren. Das bedeutet, dass wir in den 24 Stunden nicht nur 25 Runden schaffen, sondern sogar eine 26:ste. Und da ich als Zweiter gestartet bin, habe ich die Ehre der letzten Runde. Uff. Naja, was soll´s, dann eben noch eine 7. Runde für mich.



Fazit
Am Ende fährt unser Team auf Platz 101 von den 910 Herren-4er-Teams. Wir sind zufrieden. Dieses Rad-Festival hat sich gelohnt. Die Startgebühr ist mit 170 EUR je Person im Team recht hoch, aber man bekommt auch ganz schön was geboten. Wir sind jedenfalls alle heiß auf eine Wiederholung im nächsten Jahr.
Tipps für Rad am Ring
Ich war mit den erfahrenen Jungs in guter Gesellschaft. Sie hatten vieles dabei, dass uns den Aufenthalt angenehm gestaltet hat. Z.B. einen Pavillion schützte uns nicht nur vor dem Regen, sondern auch vor dem mitunter recht heftigen Wind (wobei das Fixieren im harten Boden recht herausfordern war). Genügend Tische für den Fresskram und ausreichend Stühle sind wichtig. Super gut waren die elektrischen Kühltaschen, die unsere Lebensmittel kühlten und uns kalte Getränke spendierten. Mit den verschiednen Grills konnten wir uns Bratwurst, Fleisch und Sandwiches kredenzen. Ein eigenes Zelt ist nicht schlecht, so stört man die anderen weniger und hat ein wenig Privatsphäre. Ich hatte mein platzsprendes 1-Personen-Zelt Dragonfly von Nemo mit.

Es gibt noch eine Reihe weiterer wertvoller Tipps für diese Veranstaltung:
- Nimm eine eigene Rolle Klopapier mit (das war der wohl wertvolslte Tipp von allen, hat mir den Ar… gerettet 🙂
- Nimm das an Essen mit, was du für dich selbst brauchen wirst und worauf du Lust hast. Bleibt dann von deinem Nudelsalat was über, kannst immer noch was abgeben. Alternativ kann man sich auch auf dem Gelände verpflegen, aber das setzt immer eine Wanderung zum Foodcorner voraus und teileweise Warteschlangen
- Radständer machen es dir leicht, auf der 4×10 Meter Parzelle neben Zelte, Pavillion und anderen Dingen dein Bike unterzubringen
- Nimm eine starke Lampe mit. Mir hat die Cateye GVolt 100 sehr gut geholfen (den Testbericht dazu findest du hier)
- Camping-Geschirr und -besteck, Haushaltstücher und Mülltüten machen den Alltag leichter
- Eine Lautsprecheranlage braucht es nicht – davon gibt es genügend in den anderen Zelten
Wie man sich trainingsmäßig vorbereitet? Gibt meiner Ansicht nach kein Grundrezept. Die Runde ist lediglich 26 km. Aber mit 500 Höhenmetern. Man könnte vorher versuchen, Berge zu fahren, um zu verhindern, dass man schieben muss. Oder 26 km schnell zu fahren. Letzteres hab ich im flachen Nordbremer Raum gemacht. Aber das ist nicht ausreichend für den Modus des Rennens: 7 x 26 km Vollgas fahren, zwar mit Pausen, aber auch mit Sahara-Hitze, Schlafentzug, Kälte, Regen, komplett aus der Balance geratener Nahrungsaufnahme. Wie man all diese Besonderheiten trainieren soll? Ich weiß es nicht. Mit einer korrekten Truppe hinfahren und Spaß haben, das wäre mein einziger Rat für diese Veranstaltung der Superlative.
Zuletzt noch dieser Hinweis: die Verantaltung ist super schnell ausgebucht. Man muss auf Zack sein, wenn die Registrierung öffnet. Vor allem, wenn man einen guten Standort abhaben möchte. Unsere Parzelle auf Rasen und direkt an der Strecke gelegen war jedenfalls sehr viel angenehmer als die Plätze auf Asphalt. Wir waren im Bereich DD. Alle Infos sind auf der Seite der Veranstltung zu finden: Rad am Ring
Wer weiß, vielleicht trifft man sich im nächsten Jahr?
