Belgien ist nicht nur berühmt für Pommes und Bier, sondern auch für seine lange Rennrad Tradition. Ein Großteil dieser Tradition ist in der Region Flandern entstanden, in der unter anderem jedes Jahr die berühmt-berüchtigte Ronde Van Vlaanderen – die Flandern Rundfahrt – stattfindet. Um die Radsportgeschichte erlebbar zu machen, wurde die Flandrien Challenge ins Leben gerufen.
Inhalt
Rennrad fahren in Flandern bedeutet vor allem 2 Dinge: Kopfsteinpflaster und kurze aber extrem knackige Anstiege. Die Steigung liegt in der Regel deutlich über 10% und führen oft über schlechtes Kopfsteinpflaster. Das macht einen Teil der Faszination aus und begründet den Mythos berühmter Anstiege wie dem Koppenberg oder dem Patterberg. Hier mussten schon gestandene Profis absteigen und schieben.
A True Flandrien is a man or woman of steel. A heroic cyclist who never gives up, relishes a challenge and eats pain for breakfast.
Die Flandrien Challenge ist schnell erklärt. Man muss in 72 Stunden die 59 berühmtesten Kopfsteinpflaster Abschnitte und Anstiege fahren. Hat man dies geschafft, gibt es als Belohnung einen gravierten Pflasterstein, den man im Museum der Ronde van Vlaanderen an die Wall Of Fame klebt.
Es gibt verschiedene Routen als Vorschläge, je nachdem ob man sich 4 Tage, 3 Tage oder nur einen Tag Zeit nehmen will. Fast jedes Segment ist mit Name, Länge, durchschnittlicher Steigung und maximaler Steigung auf die Straße gemalt. Dazu noch die Start- und Ziellinie des Segments. Richtig cool, so weiß man beim Fahren direkt, dass es jetzt mal wieder zur Sache geht.



Tag 1 – Ieper
Nachdem ich am vorigen Abend in Gent angekommen bin, geht es heute an die erste Etappe. Ich bin noch unsicher, ob ich das ganze in drei oder vier Tagen fahren will. Daher fange ich mit einer Route an, die in beiden Varianten vorkommt. In Ieper angekommen, regnet es erst mal. Macht nichts, ich bin früh dran und die Route heute umfasst nur ca. 74 km. Nach einem Kaffee hört der Regen auf und ich schwinge mich gegen 12:30 aufs Rad. Das erste Segment starte ich gegen 13:15. Diese Zeit ist wichtig, da ich ja das 72h Zeitlimit einhalten muss.
Der erste Anstieg zum Lettenberg ist noch recht harmlos mit 5,2% Steigung. Kaum bin ich wieder unten angekommen und habe kurz Luft geholt, geht gleich das nächste Segment los und das hat es in sich. Nasses Kopfsteinpflaster windet sich den Kemmelberg hoch. Gerade noch denkt man am Ziel zu sein, da zieht sich der Anstieg um eine Kurve und wird noch mal deutlich steiler. Bei 21% Steigung muss ich ausklicken und den Rest schieben. Auf dem nassen Kopfsteinpflaster habe ich mit dem Hinterrad einfach keinen Grip mehr. Heftig.


So langsam ist der Regen abgetrocknet und ich kann ein Segment nach dem anderen abhaken. Zum Schluss fahre ich den Kemmelberg noch von der anderen Seite hoch. Auch Steil aber kein Vergleich zum Anstieg am Morgen. Am Ende des Tages habe ich 9 von 59 Segmente geschafft und freue mich auf den nächsten Tag.
Tag 2 – Geerardbergen
Eigentlich wollte ich heute eine der längeren Routen fahren. Der Wetterbericht sagt aber ab dem Nachmittag überall Regen voraus. Also plane ich um. Heute geht es für eine 90 km Tour nach Geraardsbergen. Das bedeutet auch, dass ich insgesamt 4 Tage fahre. Einmal mehr schlafen ist ja nicht schlecht, ich muss am Sonntag nur rechtzeitig fertig werden. No pressure.
Schon auf der Suche nach einem Parkplatz fällt mir auf, wie steil in Geraardsbergen die Straßen sind. Ich finde schnell einen Parkplatz und mache mich auf zum offiziellen Start. Auf dem Weg dorthin geht es gleich die berühmte Muur van Geraardsbergen hoch. Ein Kilometer auf Kopfsteinpflaster bei bis zu 14%. Wach bin ich jetzt. Die Beine auch.



Weiter geht es durch die wunderschöne und hügelige Landschaft, bis mich dann am Nachmittag der Regen einholt. Ein ganz wenig hatte ich gehofft, den Wolken noch davonfahren zu können. Da es in Richtung Geraardsbergen besser aussieht und keine Café’s in der Nähe sind, fahre ich weiter. Es sind nur noch 24 km.
Im Regen wird mir erst ziemlich kalt, aber nach dem ersten Anstieg geht es. Nur die Finger werden nicht mehr warm. Schneller als gedacht, bin ich wieder zurück. Auf der offiziellen Route ist die Muur eigentlich das letzte Segment. Jetzt werde ich unsicher, ob ich das Segment am Morgen wirklich von Anfang an gefahren bin. Da hilft jetzt auch keine Theorie, zur Sicherheit fahre ich es nochmal, diesmal auf nassem Kopfsteinpflaster. Zurück am Auto sehe ich auf Strava, dass ich morgens das Segment natürlich schon erwischt hatte.
Tag 3 – Koppenberg
Heute dann die Königsetappe. Gut 140 KM und gefürchtete Anstiege wie Oude Kwaremont, Koppenberg oder Paterberg stehen auf dem Programm. Für heute ist sogar die Wettervorhersage gut und so starte ich früh von Oudenaarde aus. Durch die schon bekannte hügelige Landschaft fahrend sammle ich ein Segment nach dem anderen. Schnell ist schon Mittagspause und nach einer ordentlichen Portion Pasta geht es weiter Richtung Ronse.
Dort werde ich von der Paracycling WM überrascht, die hier gerade stattfindet. Die ganze Stadt ist abgesperrt. Langsam rolle ich über die gesperrte Strecken in Richtung nächstes Segment, dem Kruisberg. Das verläuft dann zum Glück parallel zur Paracylcing Strecke. Oben angekommen muss ich erst mal warten. Ein sehr freundlicher Polizist erklärt mir, dass ich nach dem Besenwagen die offizielle Strecke benutzen darf. Und dann kommen schon die ersten Paracyclists den Berg hoch. Sehr beeindruckend, was die Athleten nur mit ihren Armen leisten. Ich bin echt beeindruckt.



Lange muss ich nicht warten und fahre direkt nach dem Besenwagen weiter. An der nächsten Kreuzung will mich der Streckenposten erst nicht weiter lassen, lässt sich aber dann doch überreden. Glück gehabt. Jetzt geht es eine 4-spurige abgesperrte Schnellstraße bergab und den Scherpenberg wieder hinauf. Zum Glück kann ich nun die Paracylcing Weltmeisterschaft hinter mir lassen.
Schon bald erreiche ich den Koppenberg. Nach einer 90° Kurve geht es direkt aufs Kopfsteinpflaster und die Steigung nimmt beständig zu. Die schöne Allee wird immer enger und steiler, die Beine brennen. Was für ein geiler Anstieg. Auf jeden Fall das absolute Highlight der ganzen Challenge. Ziemlich kaputt aber glücklich erreiche ich das Auto. Morgen noch und dann ist es geschafft.
Tag 4 – Finish
Ein kurzer Check der Strecke verrät mir, dass heute mehr Kopfsteinpflaster-Segmente auf dem Programm stehen. Also lieber etwas weniger Druck auf den Reifen. Über Nacht hat es leider ordentlich geregnet, sodass die Straßen noch richtig Nass sind als ich früh um 6:45 erneut am Parkplatz in Ourdenaarde starte. Ich will hinten raus keinen Stress haben und die eine oder andere Panne kann einen ja schnell zeitlich zurückwerfen. Zum Glück regnet es jetzt nicht mehr und die Nässe trocknet schnell ab. Das ist vor allem auf den Pflastersteinen angenehm.
Und von denen gibt es heute reichlich und immer gleich mehrere Kilometer lang. Einen Streifen an der Seite zum Ausweichen gibt es nur manchmal. Oft genug aber nicht, also gewöhne ich mich langsam an das Gerumpel und ich finde eine gute Geschwindigkeit, bei der ich etwas besser über die Steine gleite. Ich merke, dass mir die drei vorherigen Tage schon ordentlich in den Beinen stecken. Trotzdem komme ich gefühlt gut voran und erreiche das Ziel in Oudenaarde gegen kurz nach 11.



Etwas nervös speicher ich die Route auf meinem Garmin und checke die Flandrien Challenge Webseite. Habe ich wirklich alle Segmente erwischt? Ja. Da steht 59/59. Challenge abgeschlossen. Erleichtert geht es nun ins Museum Ronde van Vlaanderen, wo ich als Belohnung einen gravierten Pflasterstein mit meinem Namen erhalte, den ich an der Wall of Fame platzieren darf. Einen zweiten Stein gibt es für 5€ zum Mitnehmen.
Was für eine geile Challenge im Kernland des Radsports. Ich kann sie uneingeschränkt empfehlen. Tolle Routen, wunderschöne Landschaft und so viel Radsportgeschichte kriegt man wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt so präsentiert.
Tipps und Tricks für Flandern Challenge
- Die flandrischen Kopfsteinpflaster sind berüchtigt für ihre „Qualität“ und auch die sonstigen Straßen sind teilweise recht ruppig. Dicke Reifen, gutes Lenkerband und Handschuhe sind daher zu empfehlen. 32mm Reifen sind schon ganz gut, 36mm sind besser und falls sie in den Rahmen passen sind die relativ neuen Pirelli P Zero Race TLR in 40mm eine gute Wahl.
- Auf dem Kopfsteinpflaster wird das Rad ordentlich durchgerüttelt. Daher sollte man vor dem Start einmal alle Schrauben nachziehen. Auch nach einem Tag mit viel Kopfsteinpflaster macht es Sinn, einmal zu kontrollieren, ob alles noch sitzt.
- In Flandern gehört Regen zum Rennradfahren dazu. Eine Regenjacke oder Weste dabei zu haben, erspart einem zu lange Pausen, in denen man auf besseres Wetter wartet.
- Eine solche Tour mit ca. 400 km, Kopfsteinpflaster und knackigen Anstiegen und Abfahrten ist eine Belastung für Mensch und Material. Vor dem Start sollte die Kette noch gut in Schuss und möglichst frisch gewachst sein. Auch die Bremsen müssen einwandfrei funktionieren.
- Die Routenvorschläge gehen oft kreuz und Quer. Man fährt manche Abschnitte mehrfach oder auch Vorwärts und Rückwärts. Das ist eine echte Herausfordern für den Radcomputer. Mein Garmin 1040 hat das hervorragend gemeistert aber das war nicht immer so. Also lieber ab und zu mal auf die Route schauen um zu überprüfen ob man noch auf dem richtigen Weg ist und nicht durch einen Navi Fehler ein Segment verpasst hat.
- Wer über einen Radcomputer verfügt, der Strava Segmente anzeigt, sollte sich die offiziellen Segmente auf der Strava Seite als Favoriten markieren, um sie beim Fahren angezeigt zu bekommen.
- Auf Kopfsteinpflaster sollte man nicht zu langsam fahren und immer Spannung auf der Kette halten. Das fährt sich angenehmer und verhindert das Abfallen der Kette und das ungewollte Springen von Gängen.