Mit dem Rad nach Dänemark: 250 km badass Tour mit dem Gravel

Von Bremen nach Dänemark sind es knapp 250 km. Eine Reise, die ich schon oft mit dem Rad gemacht habe. Ich weiß, dass ich die fast 500 km an zwei Tagen packe. Aber dieser Overnighter-Trip ins Nachbarland ist wie kein anderer davor.

Das Ziel steht: Dänemark, es kann losgehen

Der April war bislang wärmer und trockener als jemals zuvor. Und ich bin noch keine lange Tour dieses Jahr gefahren. Es juckt mich regelrecht in den Beinen, die gut im Training stehen. Am langen Osterwochenende soll es zwar nicht sehr sonnig sein, aber trocken bleiben. In Dänemark ist freies Camping verboten. Dafür haben die Dänen jedoch 3.000 einfache Holzhütten, die sogenannten Shelter, die im ganzen Land verteilt zu finden sind und zum Übernachten genutzt werden können.

Sie bieten besten Schutz vor Unwetter und liegen in der Regel so abseitig, dass kein Zivilisationslärm zu hören ist. Mein anvisiertes Shelter beim dänischen Örtchen Kollund ist sogar ein Paradebeispiel für diese simplen Unterkünfte. Es stehen dort gleich 5 Hütten und ganz in der Nähe befinden sich sogar eine Toilette und Dusche. 

Die Strecke

Meine Route führt mich bei Wischhafen mit der Elbfähre übers Wasser nach Schleswig-Holstein. Danach geht es am Nord-Ostsee-Kanal entlang über ein paar Dörfer nach Flensburg hoch, wo mich kurz hinter der deutsch-dänischen Grenze das Shelter in Kollund erwartet. Die Route ist ein über die letzten Jahre gereiftes Ergebnis aus flüssigem Vorankommen bei erträglichem Maß an Autostraßen entlang. Ich habe die 250 km schon in weniger als 10 h Gesamtdauer geschafft. Wenn der Wind günstig steht kann ich durchweg einen Schnitt von 26 kmh halten. Das ist schnell für ein Rad, das vollbepackt 26 kg wiegt. 

Die Ausrüstung

Mein Gravelbike an sich ist nicht schwer, aber mit mir führe ich Kleidung und Schlafausrüstung für 7° Außentemperatur, einen Sturmkocher und den kompletten Proviant 2 Tage. Auf ein Zelt Verzichte ich mittlerweile, wenn ich nach Dänemark fahre. Aber ich stecke zum Glück noch eine halbwegs vernünftige Regenausstattung ein, denn am Morgen der Abfahrt zeigt das Regenradar zwar in der Langzeitprognose nichts an, aber die 2-h-Vorhersage geht von einem dunkelblauen Regenband entlang der Elbe aus. Da also sonst nichts angezeigt wird, gehe ich davon aus, dass das kleine Regengebiet sich abgeregnet hat, bis ich gegen Mittag Wischhafen erreichen werde. So sollte es nicht kommen. 

Der Regen

Es ist nicht warm, als ich gegen 8:30 starte. Aber trotz der 7° wird mir schnell warm und ich ziehe meine ganzen Zwiebelschichten wieder aus. Der Wind kommt seitlich, nicht besonders stark, passt. Aber dieses seltsame Regengebiet. Wie wird es sich entwickeln, bis ich dort bin, wo es anzeigt wird? Ich bleibe hin und wieder stehen, um mich auf dem Handy zu vergewissern. Es wird sich leider nicht wie morgens in der Langzeitprognose versprochen auflösen. Statt dessen kommt es näher und nach den ersten 2 h und 50 km  Strecke hinter mir, beginnt es zu tröpfeln.

So wenig, dass ich es ignoriere. Kurz vor Bremervörde sind die Straßen dann jedoch schon so nass, dass die Reifen beginnen, das Wasser von der Fahrbahn mitzunehmen. Um nicht komplett verdreckt zu werden ziehe ich also Überschuhe und Regenklamotten an. Das sind Hosen und Jacke von Gore, Handschuhe von Dexshell und die Überschuhe von Straede, die hier schon vorgestellt wurden. Die Langzeitprognose des Regenradars blieb hartnäckig bei der Darstellung, dass es keinen Regen geben wird. Sie haut deutlich daneben. Denn es sollte bis auf eine Stunde zwischen 18 und 19 Uhr gar nicht mehr aufhören zu regnen. 

Mit dem Rad nach Dänemark, eine Fahrt der Extreme

Als ich die Fähre in Wischhafen erreiche sind meine Füße nass und kalt. Die Straede Winterüberzieher sind super gegen Kälte. Regnet es, sind sie nach ca. 10 Minuten durchweicht. Dazu muss es nicht besonders stark regnen. Es reicht das Spritzwasser des Vorderreifens, damit sie sich von unten mit Wasser vollsaugen, dass sie gerne an den Schuh und die Socken abgeben, die sie eigentlich schützen sollen. Aber da ich schon hier bin, noch immer fest entschlossen und mich wohl noch immer der Hoffnung hingebend, dass die Langzeitprognose recht haben möge, fahre ich über die Elbe. 6,20 EUR kostet das Übersetzen mit Rad.

Die Besatzung hat jetzt ein Gerät am Handgelenk, mit dem die kontaktlose Kartenzahlung getätigt wird. Kaum wurde meine Visakarte von der Gesichtserkennung im Handy bestätigt, ist die Zahlung erfolgt und mir wird die Quittung mitsamt dem Gruß „gute Tour“ in die Hand gedrückt. Auf der Fähre treffe ich einen anderen Rennradfahrer, der ebenfalls vom Regen überrascht wurde und wie ich komplett durchnässte Füße hat. Während er sich am anderen Ufer abholen lässt, setze ich meine Fahrt fort. Ich konnte auf der Fähre meine Socken so weit trocknen und die Füße wärmen, dass ich mit warmen Füßen weiterfahre. Das hält 50 km lang. Denn es hört einfach nicht auf zu regnen.

Es nimmt eher noch zu. Der Nord-Ostsee-Kanal ist wie immer besonders. Der Anblick der in Schleichfahrt dahintuckernden dicken Frachtschiffe aus unmittelbarer Nähe beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue. Kapitän müsste man sein. Als ich den Kanal über einem 12 %-igen Anstieg verlasse habe ich schon fast 150 km abgerissen. Meine Füße sind jetzt nass und kalt, aber umzudrehen wäre länger als zum Ziel durchzuziehen. Aber das die letzten 100 km so schlimm werden, ahnte ich da noch nicht. Der Regen wird stärker. Ich kann meinen gewachsten Antriebsstrang knarzen hören. Wasser ist Gift für das Wachs. Zudem der enorme Dreck, der von der Straße über die spritzenden Reifen mitgenommen wird.

Meine Packtaschen sind mit einer schlammigen Sandschicht überzogen. Beim Öffnen der Tasche lasse ich die Handschuhe an, da ich sonst Schwierigkeiten habe, den Dreck von den Fingern zu bekommen. Ich höre, wie das Schmutzwasser wie Schleifpapier zwischen Bremsbeläge und Scheibenbremse arbeitet. Als ich Flensburg erreiche und vor einer Ampel einbremse geht ein Ruck durch mein Rad gepaart mit einem metallenem Ächzen und ich weiß, dass soeben die Haltefeder zwischen den hinteren Bremsbelägen dran glauben musste. Fortan wird die Hinterradbremse permanent schleifen. Es tut einem in der Seele weh, wenn man weiß, wie materielmordend man unterwegs ist. Aber vielleicht sind die heutigen Rennräder mit ihren hydraulischen Bremsanlagen einfach insgesamt anfälliger.

Meine Füße sind Eisklötze. Es ist furchtbar unangenehm mit kalten Füßen durch die Gegen zu fahren. Ich bereue es zigfach, nicht die Spatzwear-Überschuhe mitgenommen zu haben, die hätten mich gerettet. Ebenso ergeht es mir an den Händen. Die Dexshell-Handschuhe hab ich mir auf Empfehlung eines Youtubers gekauft. Ähnlich wie die Straede Schuhüberzieher ist der Schutz nur von geringen Dauer. Bald dringt die Nässe ein und die Hände werden kalt. Hose und Jacke von Gore halten aber das Werbeversprechen: Garanteed to keep you dry.

Ich habe die R7 Shakedry-Jacke. Das R steht bei Gore für Running, die Jacke ist also leider hinten nicht renngradmäßig verlängert, dafür hat sie eine Kapuze. Deswegen hab ich die Running-Jacke gekauft, Rennradjacken haben nie eine Kapuze. Und jetzt, nach Stunde um Stunde im Regen freue mich mich sehr darüber. Die Regenpause um 18 Uhr ist fast gemein. Weil ich mir jetzt doch ein bisschen Hoffnung mache, dass es vielleicht vorüber ist. Als es eine Stunde später wieder einsetzt bin ich verbittert. In Flensburg halte ich bei der Handelskette Fleggaard.

Die dänische Supermarktkette gibt es nur in Deutschland, aber mit dänischen Produkten und dänischen Öffnungszeiten, also fast 24/7. Ich starre so dermaßen vor Dreck, dass ich zuerst an der außen gelegenen Toilette mit meinen Trinkflaschen Wasser hole und zumindest Füße und Radhose vom schlimmsten Sandschlamm befreie. Zu unangenehm wäre es mir, eine Dreckspur im Laden zu hinterlassen. Gegen 21 Uhr und 9,5 Stunden Regenfahrt erreiche ich endlich das Shelter. Drei der Hütten sind noch frei. Ich bin zufrieden. Eine warme Dusche und eine heiße Mahlzeit unter einem trockenen Dach und ich fühle mich wieder einigermaßen wohlauf. Aber es ist frisch. Bald krieche ich in meinen Schlafsack. 

Rückfahrt fast ohne Cheaten

Ich hatte mir abends quasi schon überlegt, ein Teil der Rückfahrt mit dem Zug zu bewältigen. Denn gerade meine Schuhe würden am Folgetag noch immer nass sein. Und es wird kalt sein. Zudem wache ich mit Spannungskopfschmerzen auf. Habe lange nicht mehr auf der Luftmatratze gelegen. Oder es kommt von der langen Rennradhaltung gestern. Zudem fängt es wieder an zu regnen. Also scheiß auf die 250 km Rückfahrt. Zumindest einen Teil davon. Ich koche mir Kaffee und bleibe noch eine Weile im Shelter bis die Kopfschmerzen nachlassen. Denn ich werde mit dem Zug von Flensburg nach Hamburg fahren und hab dann nur noch 120 km. Also alles einpacken und die Regenkluft anziehen.

Zum Glück hatten die Ortliebtaschen fast komplett dicht gehalten. Bei so viel Regen lassen die auch mal was durch, aber nicht viel. Die sündhaft teure Tailfin-Tasche auf dem dazugehörigen Gepäckträger ist da wesentlich unzuverlässiger, aber da ich das wusste, war da auch nichts kritisches drin. Mein trockenes Paar Ersatzsocken sind in den nassen Schuhen und Überschuhen schon kurz nach dem Reinschlüpfen schon klamm, Regen und die nasse Fahrbahn besorgen den Rest. Auf den 10 km zum Flensburger Bahnhof hab ich schon wieder nasse und kalte Füße.

So macht Radfahren einfach keinen Spaß. Aber das Schicksal setzt noch einen drauf, denn die Bahn wird mich nicht nach Hamburg bringen. Passenderweise gibt es Gleisbauarbeiten ab Rendsburg und der Schienenersatzverkehr nimmt keine Räder mit.  Also nur bis Rendsburg und den Rest dann doch Radeln. Aber ich erspare mir 70 km durch den Regen und als ich in Rendsburg aussteige, ist es tatsächlich trocken.

Jetzt muss ich nur gegen Wind bis nach Glückstadt anfahren, um dort wieder mit der Fähre über die Elbe zu setzen. Ich hatte über Komoot eine Route mit möglichst wenig Verkehr ausgesucht und hab dabei den Ochsenweg erwischt, eine schöne Route durch Wälder und Flure entlang einer mittelalterlichen Handels-/Infanterieroute zwischen Dänemark und Norddeutschland. In Niedersachsen zeigt sich sogar die Sonne. Die Depression der Hinreise beginnt zu verfliegen.

Dennoch sind die 180 km Rückweg nicht leicht. Zumal mein vom Dreck zerschundenes Rad furchtbare Geräusche von sich gibt. Ich mache mir die Zeit kurzweilig und blende die Geräusche mit einem Hörbuch aus. Normalerweise genieße ich die Geräusche der Natur und die reine Fokussiert auf das Fahren bei Langdistanzen, aber an einem solchen Tag wie heute und bei dem doch vielen Autoverkehr, ist die akustische Ablenkung hilfreich. 

Overnighter in Dänemark

Ich mag diese Tour sehr gerne. Habe sie schon unzählige Male absolviert. Die herausfordernde Länge macht demütig und die unprätentiöse Einfachheit der Übernachtung gefällt mir. Es kostet mich 2x 6,20 EUR für die Fähre und 3 EUR für die warme Dusche. Alles, was ich sonst brauche habe ich mit und Trinkwasser zum Nachfüllen findet sich auf dem Weg. Für 15 EUR bekommt man viel geboten. Selbst wenn die Anstrengung mitunter sehr langatmig wirkt, speichere ich so viele Eindrücke und Gefühle, dass es mir im Nachhinein vorkommt, als wäre ich mehrere Tage unterwegs gewesen.

Dieses Mal war es durch den Regen wenig schön. Ich würde das niemandem empfehlen. Und dennoch bin ich stolz, diesen Ritt überstanden zu haben und froh, darauf zurückblicken zu können. Es ist wie so oft mit dem Sport – währenddessen frag man sich, warum man sich das antut und hinterher fühlt es sich sehr gut an.

Material für Langstrecke mit dem Gravel, eine Auswahl

Reifen – Ich bin diesmal mit 30mm profillosen Reifen los. Pirelli P-Zero. Wollte Rennradfeeling. Würde ich nicht wiederholen. Schotter- und Waldabschnitte gab es nicht viele, sie waren durch die Reifenwahl aber besonders unangenehmen. Und bei 26 kg Radgewicht stellt sich auch durch schmale Reifen kein agiles Radhandling ein. In den Mänteln steckten mehrere Gesteins-Splitter. Bis auf einen war keiner durch die Karkasse gedrungen. Der Größte  (ca. 3-4 mm) hinterließ beim Entfernen ein Loch, das jedoch blitzschnell durch die Dichtmilch versiegelt wurde. Ich verwende Muc-Off Gravel Milch. 

Sturmkocher – Ich benutze seit Jahren das gasbetriebene Set Elektra FE von Optimus. Hat mich noch nie im Stich gelassen. Und es gibt kaum etwas so Gutes wie einen heißen Kaffee an einem kalten Morgen. V.a. bei Kopfschmerzen wirkt das Wunder.  

Mummy-Liner – Ein Innenschlafsack ist klein im Packmaß und verlängert den Temperaturbereich meines Sommerschlafsacks bis auf ca. 5 Grad runter. Das ist viel günstiger, als einen neuen Schlafsack zu kaufen und zudem flexibler: Zwiebelprinzip beim Schlafequipment. Meiner stammt von Cocoon und ist die Variante aus 100% Thermolite. Kostet 50 EUR, jeden Cent wert.

Gore Regenjacke R7 – schon erwähnt. Gibt nichts besseres. Außer die Winterjacke von Rapha aus demselben Shakedry-Material. Aber Gore verkauft sein Shakedry nicht länger an Drittanbieter. 

Die Sugarflask – das Rezept habe ich von den Australiern Chris Miller und Jesse Coyle: 100 g Zucker in die Wasserflasche ergibt ein Kohlenhydratbooster, der zwischendurch Hungeräste verhindert und quasi nichts kostet. Für den Geschmack mische ich ein Tütchen Elektrolytpulver vom Lidl (30 ct) mit rein, aber ein bisschen Salz und etwas Ahornsirup täten es auch. Demnächst gibt es hier einen ausführlicheren Bericht zur Sugerflask.

Mikrofaser-Handtuch. Arthur Dents seltsamer Freund Ford wusste es: wenn du die Erde spontan verlassen musst, um per Anhalter durch die Galaxis zu trampen brauchst du eigentlich nur einen Gegenstand mitzunehmen – ein Handtuch. Auch wenn meins nicht so komplex ist wie das von Ford, es ist ein Life-Saver in vielen Hinsichten. Meine nassen Sachen darin eingewickelt werden im Nu halbwegs trocken; um die Hüfte getragen spendet es Windschutz und Wärme, hält als Unterlage beim Sitzen die Kälte ab. Und das sind nur ein paar der mannigfaltigen Einsatzszenarien dieses Gegenstands mit wenig Packmaß für seine Größe. Kein Overnighter ohne Handtuch!

Sram AXS Schaltung. Sie sei hier erwähnt. Regen und Schmutz haben sämtlichen, exponierten Komponenten auf dieser Regenfahrt arg zugesetzt. Die kabellose, mit zwei Akkus betriebene 2-fach-Schaltung hat keine Sekunde lang gezickt. Sie hat einfach tadellos funktioniert. Weltklasse.

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