Tadej Pogačar ist 176 cm Groß und ist im vergangenen Jahr mit einer 165mm Kurbel gefahren. Jetzt gewinnt Jona Vingegaard die Volta ao Algarve mit 150 mm. Nur ein Trend bei Rennrädern oder bringt eine kurze Kurbel auch bei Nichtprofis mehr Perfomance?
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Mehr Aerodynamik
Ende Februar tauchte auf Instagram ein Bild von Jonas Vingegaard auf. Dabei ging es nicht um sein Finale im Zeitfahren oder den Gesamtsieg bei der Volta ao Algarve, sondern die Länge der Kurbel am Cervelo. Pogačar hatte seine Kurbel in der vergangenen Saison bereits von 172,5 gegen 165 mm getauscht. Auch Wout van Art soll auf 165 mm oder 160 mm umgestiegen sein. Das eine kürzere Kurbel mehr aerodynamischer ist und die Hüfte entlastet, wissen Triathleten schon seit vielen Jahren.
Bei einer kleineren Kurbel ist der Bewegungsradius des Beins und und damit auch des Fuß weniger weit nach unten. Das soll ein Plus an Aerodynamik im unteren Bereich des Rennrad bringen. Im Umkehrschluss ist auch das Knie nicht so weit oben. Soweit die Theorie. Vingegaard hat schon 2023 seinen Sattel etwas nach vorn geschoben um die Bewegung mit einer kürzeren Kurbellänge zu reduzieren.
We have made some small changes to the time trial bike
Jonas Vingegaard während der Algarve 2025 ITT, cyclinguptodate.com
1999 erschien das Buch Bicycling Science (hier der Link zu Amazon). Hier wird eine Studie beschrieben, die sich mit der Leistung im Zusammenhang mit Kurbellängen beschäftigt. Die höchste Durchschnittsleistung wird demnach mit einer Kurbel 180 mm erreicht. Zurückzuführen ist das allerdings darauf, dass ein ermüdeter Muskel mit einem großen Umdrehungsumfang am Ende des Versuchs weniger Kraft aufbringen muss.
Vorteil einer kurzen Kurbel für Nichtprofi?
Kürzere Kurbeln benötigen eine höhere Trittfrequenz. Dadurch werden die Muskeln bei gleicher Leistung weniger belastet und ermüden langsamer. Am oberen Punkt wird das Knie des Sportlers weniger gebeugt, in der Druckphase (12 bis 5 Uhr) dafür stärker. Das kommt der Krafterzeugung zugute, setzt jedoch ein höheres Leistungsniveau voraus.
Veranschaulichen lässt sich das Anhand der Wattmessung am Powermeter. Die Berechnung der Leistung ergibt sich aus Nm (dem Druck auf das Pedal) und Geschwindigkeit der Umdrehung. Bei einer geringeren Umdrehungsgeschwindgkeit muss demnach stärker getreten werden, was das Ergebnis von kürzeren Kurbellängen ist. Davon profitieren Sportler, die über eine lange Distanz eine hohe Kadenz fahren können. Bei Anstiegen ergibt sich daraus, dass mit einer kleineren Kadenz noch mehr Kraft notwendig ist. Die Ermüdung der Muskeln hat zur Folge, dass die Kadenz weiter sinkt.

Ursprünglich kommen kurze Kurbeln von der Zeitfahrposition mit tiefer Oberkörperhaltung und nach vorne gekipptem Becken. Die Kraftübertragung mit langen Kurbeln wäre hier stark eingeschränkt.
Bei einem Bikefitting wurde vor einigen Jahren meine Kurbellänge von 172,5 auf 170 Millimeter reduziert – hauptsächlich dadurch begründet, dass ich ein eher kleiner Fahrer bin. Zudem sollte es meine Explosivität bei Antritten verbessern. Der 2,5 Millimeter Unterschied habe ich aber ehrlicherweise kaum beim Treten gespürt.
Simon Geschke, auf bike-x im Oktober 2024
Unabhängig davon sind die Vorteile nicht von der Hand zu weisen. Die Hüfte wird, im Gegensatz zu langen Kurbel geschont, da die Hüftbewegung reduziert ist und die Kniee werden weniger belastet. Allroundsportler, die nicht im leistungsstarken Amateurbereich fahren, werden mit kürzen Kurbeln zwar einen Unterschied spüren, an der Gesamtleistung wird sich vermutlich aber nichts ändern.
Ab wann gibt es die sehr kurze Kurbel zu kaufen?
Die 150 mm Kurbel von Sram gibt es nicht zu kaufen. Eine Form für die Produktion ist sehr teuer. Deshalb ist, zumindest momentan, so eine wirklich spezielle Länge noch eine Sonderanfertigung. Fragt sich, wie die UCI darauf reagiert, denn die Regel besagt, dass alle Komponenten im Rennen auch für Normalsportler zu kaufen sein müssen.
Welche Kurbellänge für welche Körpergröße?
Eine universelle Regel gibt es nicht, denn auch hier zählt die persönliche Vorliebe, der eigene Leistungslevel und nicht zuletzt, die Disziplin. Üblicherweise werden die Kurbellängen von den Herstellern entschieden, wenn das neue Rennrad nicht sowieso im guten Fachhandel custom aufgebaut wird. In der Regel sind das bei Rennrädern 170 bis 175 und bei TT 165 bis 172,5. Nach den USA startet „MyCanyon“ im Somme auch in Deutschland. Canyon wirbt damit, dass das bestellte Rennrad individuell zusammengestellt werden kann. Die Kurbellänge beinhaltet das aber leider nicht.
Eine kurze Kurbel ist für die von Vorteil, die eine hohe Leistung bei einer hohen Trittfrequenz halten können. Während eingedrehten Bremsgriffe ein eindeutiger Vorteil sind, neutralisieren sich beim normalen Rennradfahrer die Vor- und Nachteile der Kurbellänge. Ambitionierte Radsportler, die körperliche Flexibilität und Kraft haben, gewinnen Perfomance, wenn sie sich an den Cranks von Pogačar und Co orientieren.


Titelbild Team Visma Lease Bike Press